Eigentlich richtet sich die Höhe der Entfernungspauschale nach der kürzesten Strecke zum Arbeitsplatz, es sei denn, eine andere Strecke ist offensichtlich verkehrsgünstiger. Der Bundesfinanzhof zeigt nun ein Herz für Arbeitnehmer und Sinn für die Praxis, indem er dieses Kriterium praxistauglicher auslegt. Die Finanzverwaltung und verschiedene Finanzgerichte haben nämlich bisher für eine offensichtlich verkehrsgünstigere Strecke eine Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten verlangt.
Offensichtlich ist an diesem Kriterium eigentlich nur, dass es viele Arbeitnehmer mit kurzem Arbeitsweg nie werden erfüllen können, weil ihr Arbeitsweg insgesamt nicht wesentlich länger als 20 Minuten braucht. Das hat auch der Bundesfinanzhof erkannt und festgestellt, dass eine Zeitersparnis auf der längeren Strecke nur noch indizielle Bedeutung hat.
Zunächst beugen die obersten Finanzrichter einem Streckenpuzzle vor, bei dem alle denkbaren Teilstrecken miteinander verglichen werden müssten. So war nämlich noch eines der Finanzgerichte in der Vorinstanz vorgegangen, indem es nur den seiner Meinung nach verkehrsgünstigeren längeren Streckenteil berücksichtigt hat. Dagegen meint der Bundesfinanzhof, dass allein die kürzeste Strecke und die tatsächlich genutzte Strecke miteinander zu vergleichen sind. Der Gesetzeswortlaut sieht nämlich nicht vor, dass die tatsächlich gefahrene Strecke verkehrsgünstiger als alle übrigen möglichen Verbindungen zwischen Wohn- und Arbeitsort sein muss.
Eine solche Forderung hält der Bundesfinanzhof ohnehin für absurd, weil sie in jedem Einzelfall umfangreiche Ermittlungen durch die Finanzämter erfordern würde. Auch wenn es sich nicht um die verkehrsgünstigste Strecke überhaupt handeln muss, muss die tatsächlich gefahrene Strecke also immerhin offensichtlich verkehrsgünstiger sein. Das ist laut der Entscheidung des Bundesfinanzhofs dann der Fall, wenn ihre Vorteilhaftigkeit so auf der Hand liegt, dass sich auch ein unvoreingenommener, verständiger Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen für die Benutzung der Strecke entschieden hätte.
Exakte Kriterien stellt der Bundesfinanzhof dafür nicht auf. Soweit es die Zeitersparnis betrifft, meint er aber, dass eine nur geringfügige Verkürzung der Fahrzeit von weniger als 10 % für einen verständigen Verkehrsteilnehmer allein noch kein ausschlaggebendes Argument für die längere Strecke ist. In diesem Fall müssten dann auch andere Kriterien für die verkehrsgünstigere Strecke sprechen, zum Beispiel die Streckenführung, die Schaltung von Ampeln etc. Gibt es triftige Gründe dafür, kann eine Strecke auch dann verkehrsgünstiger sein, wenn sie nur eine relativ geringe oder gar keine Zeitersparnis verspricht.
Angesichts der aktuell hohen Benzinpreise sind die beiden Urteile des Bundesfinanzhofs zwar nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber immerhin machen sie es sehr viel einfacher, zumindest die tatsächlich gefahrene Strecke auch steuerlich geltend zu machen. Hat das Finanzamt in den Vorjahren also immer nur die kürzeste Strecke als Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug zugelassen, stehen die Aussichten nun also nicht schlecht, stattdessen die tatsächliche Strecke anzusetzen. Allerdings sollten Sie dafür auch möglichst handfeste Argumente liefern, damit das Finanzamt ohne großen Aufwand feststellen kann, dass diese Strecke tatsächlich verkehrsgünstiger ist.